Dienstag, 22. Februar 2005

kant 1.1.2

1.1.2 Die Natur der Urteilskraft als Prinzip des Geschmacksurteils

Urteilskraft überhaupt ist „das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken.“ (KdU XXV) Die bestimmende Urteilskraft subsumiert das Besondere unter die apriorischen Gesetze (Natur-u. Freiheitsgesetz), die ihr der Verstand gibt. Der Begriff ist also bereits gegeben, und die Urteilskraft muß die vom reinen Verstand, der nur auf die Möglichkeit einer Natur überhaupt geht, unbestimmt gelassenen mannigfaltigen Formen der Natur klassifizieren und induktiv unter diesen Begriff subsumieren. Die reflektierende Urteilskraft ist selbst gesetzgebend; sie ist aufsteigend vom gegebenen Besonderen in der Natur zum Allgemeinen, dessen notwendige Regel erst von ihr gefunden werden muß. Sie ist für sich selbst gesetzgebend für die Reflexion über die Natur, d.h. sie ist heautonom.“ (KdU, XXXVII) Die „spe¬zifisch-verschiedenen Naturen“ können noch auf „unendlich mannigfaltige Weise Ursache“ (KdU, XXXII) sein, und müssen aber unter einer solchen Einheit betrachtet werden,

„D.i. die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte.“ (KdU, XXVIII)

Diese Idee der Zweckmäßigkeit der Natur dient der reflektierenden Urteilskraft zum subjektiven Prinzip a priori. Die Natur kann als Einheit betrachtet werden, ohne tatsächlich eine Einheit sein zu müssen. Es handelt sich um eine formale Zweckmäßigkeit der Natur, die ihren Ursprung in der reflektierenden Urteilskraft hat.

„Die gedachte Übereinstimmung der Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer besonderen Gesetze zu unserem Bedürfnisse, Allgemeinheit der Prinzipien für sie aufzufinden, muß [...] als zufällig beurteilt werden.“ (KdU, XXXVIII)

Kann die bestimmende Urteilskraft nicht unter das Allgemeine subsumieren, so erscheint das Gegebene unserem Erkenntnisvermögen bloß zufällig und die reflektierende Urteilskraft kommt zum Einsatz, wo die Rolle der Einbildungskraft, als Vermögen der Anschauung a priori, bedeutend ist, indem sie spontan, nach eigenen Ordensregeln das Mannigfaltige synthetisiert und so die Reflexion ermöglicht. Gelingt es der reflektierenden Urteilskraft die spezifischen empiri¬schen Gesetze unter ihre Maxime der Zweckmäßigkeit zu bringen, so stellt sich das Gefühl der Lust (bzw. bei mißlingen: Unlust) ein.
Die reflektierende Urteilskraft kann ästhetisch oder logisch gebraucht werden, und so zerfällt die Kritik der Urteilskraft in zwei Teile, in eine Kritik der ästhetischen Urteilskraft und in eine der teleologischen Urteilskraft. Die teleologische Urteilskraft gibt „die Bestimmungen bestimmt an, unter denen etwas (z.B. ein organisierter Körper) nach der Idee eines Zwecks der Natur zu beurteilen sei.“ (KdU, LII) Die Naturzwecke können „als Darstellung des Begriffs einer realen (objektiven) Zweckmäßigkeit“ angesehen werden, die „durch Verstand und Vernunft (logisch, nach Begriffen)“ beurteilt werden. (KdU, L). Bei der ästhe¬tischen Beurteilung eines Gegenstandes orientieren wir uns an der formalen, subjektiven Zweckmäßigkeit einer Vorstellung, mit der das Gefühl der Lust / Unlust einhergeht.

„Also wird der Gegenstand alsdann nur darum zweckmäßig genannt, weil seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühle der Lust verbunden ist; und diese Vorstellung selbst ist eine ästhetische Vorstellung der
Zweckmäßigkeit.“ (KdU, XLIV)

Das Subjektive an der Vorstellung ist die mit ihr verbundene Lust oder Unlust und „kann gar kein Erkenntnisstück“ (KdU, XLIII) werden. Das Gefühl der Lust drückt die bloß subjektive formale Zweckmäßigkeit des Objekts hinsichtlich der „bloßen Auffassung (apprehensio) der Form eines Gegenstandes der Anschauung, ohne Beziehung derselben auf einen Begriff zu einem bestimmten Erkenntnis.“ (KdU, XLVI). Werden die im reflektierenden Urteil tätigen Erkenntnisvermögen Einbildungskraft und Verstand durch eine gegebene Vorstellung „unabsichtlich in Einstimmung versetzt“ (KdU, XLIV), so wird durch deren freies Spiel in der Reflexion das Gefühl der Lust erweckt. Dieser die Harmonie verursachende Gegenstand wird alsdann für die reflektierende Urteilskraft als formal zweck¬mäßig beurteilt und heißt schön, „und das Vermögen, durch eine solche Lust (folglich auch allgemeingültig) zu urteilen, der Geschmack.“ (KdU, XLV) Das Lustgefühl ist eine notwendige Voraussetzung für ein positives Geschmacksurteil, und gründet weder auf Sinnesempfindung noch auf einem Begriff des Objekts.
Ein Gegenstand, der aufgrund seiner unzweckmäßigen Form für die Beziehung von Einbildungskraft und Vernunft in der Reflexion zunächst Unlust und erst indirekt Lust erzeugt, heißt erhaben. (negative Lust) Gemäß dieser Einteilung des Geschmacksurteils in die ästhetischen Kategorien schön und erhaben, behandelt die Kritik der Urteilskraft in ihrem ersten Teil, der Kritik der ästhetischen Urteilskraft, zunächst im ersten Buch die Analytik des Schönen und im zweiten Buch die Analytik des Erhabenen. Dabei folgt Kant wiederum seiner Systematik der dichotomischen Einteilung der Philosophie in eine theoretische und praktische, und zeigt den schönen Gegenstand als sinnlichen, mehr zur theoretischen Philosophie gehörend, zum Erkenntnisvermögen tendierend, während das Erhabene, als aus einem Geistesgefühl Entsprungenes, dem Frei¬heitsbegriff eher verpflichtet ist, und zum Begehrungsvermögen tendiert. Dem Geschmack wird eine Art von Erkenntnis zugebilligt, dem Erhabenen nicht. Die Urteilskraft mit ihrem Prinzip der Zweckmäßigkeit schafft den Übergang der beiden Kritiken.

„Der Begriff der Urteilskraft von einer Zweckmäßigkeit der Natur ist noch zu den Naturbegriffen gehörig, aber nur als regulatives Prinzip des Erkenntnisvermögens; obzwar das ästhetische Urteil über gewisse Gegenstände (der Natur oder der Kunst), welches ihn veranlaßt, in Ansehung des Gefühls der Lust oder Unlust ein konstitutives Prinzip
ist.“ (KdU, LVII)

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